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Mittwoch, 12 März 2014 15:35

Exponat des Monats März

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Gusseiserne Ofenplatte
 
Die Geschichte von Judit und Holofernes
 
Nicht mehr viele Häuser werden heute mit einem Kachelofen geheizt. Doch im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war er neben offenen Kaminen die bevorzugte Wärmequelle für die Beheizung von Wohnräumen. Unterschiedlich geformte und oft verzierte Ofenkacheln aus Keramik strahlten die im Inneren des Ofens erzeugte Wärme ab. Erst im 15. Jahrhundert verbesserte sich die Technik bei der Eisengewinnung und seiner Verarbeitung. Man konnte jetzt Ofenplatten aus Gusseisen herstellen, die seit dem 16. Jahrhundert immer beliebter wurden. Sie waren allerdings teurer, besonders dann, wenn sie mit Ornamenten oder Darstellungen versehen waren. In dieser Zeit war Waldeck ein Zentrum für die Produktion von Ofenplatten. Bekannt war dort der Meister Philipp Soldan (1500 -1569), der solche Platten mit Motiven aus der Bibel gestaltete. Auf seinen Entwurf könnte auch die hier gezeigte Ofenplatte aus dem 16. Jahrhundert in unserem Museum zurückgehen, die im Raum Handwerk und Zünfte zu sehen ist.


 
Sie zeigt eine entscheidende Szene aus dem Buch Judit. Auch wenn Luther diese Erzählung aus dem Alten Testament ausschied, war die Protagonistin doch äußerst beliebt. In Schauspielen, Opern und Gemälden ist Judit bis heute präsent. Schon seit dem Mittelalter war sie in der Literatur als eine der „neun guten Heldinnen“ der Geschichte bekannt. Wehrhaft verteidigte sie durch eine mutige Tat ihr eigenes Volk und seinen Glauben gegen einen übermächtigen Feind.
 
Das biblische Geschehen wird auf der Ofenplatte ganz in die eigene Zeit verlegt. In einem großen Zelt steht Judit in der Kleidung einer vornehmen Dame aus dem 16. Jahrhundert. In der Rechten hält sie das Schwert, mit der Linken versenkt sie einen Kopf in den Sack, den eine Magd hält. Es ist das Haupt des Holofernes, des Hauptmanns der Assyrer. Er hatte die schöne Frau zum Essen eingeladen und wollte sie verführen. Doch Judit überlistete ihn. Sie wartete bis er im Vollrausch eingeschlafen war und nutzte die Gelegenheit für seine Enthauptung. Die Assyrer, die das noch nicht bemerkt hatten, belagerten und bekämpften die jüdische Stadt Betulia, aus der Judit kam, und verloren den Kampf trotz ihrer Übermacht, denn sie hatten ihren Anführer verloren. Selbst die mächtigste Waffe dieser Zeit, die Kanone nutzte ihnen nichts mehr. Auf unserer Ofenplatte sind gleich fünf bedrohliche Kanonen im Vordergrund postiert. Als Büchsenschütze und Kanonier kam in dieser Zeit Hans Staden nach Wolfhagen. Er hätte, als er sich hier niederließ, sicher gern einen Ofen mit dieser reich verzierten Platte erworben. Sie hätte ihn daran erinnert, dass er sich als standhafter Christ mit Kanonen gegen die Tupinamba in Brasilien verteidigt hatte.    
 
 
Wolfgang Schiffner


 

Gelesen 78715 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 12 März 2014 15:48