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Donnerstag, 07 Mai 2015 08:53

Exponat des Monats Mai

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Hermann Neumeyer mit Rosette Hermann Neumeyer mit Rosette Monika Wüllner

Rosette aus dem Chor der Stadtkirche

von Hermann Neumeyer

In der Museumsabteilung „Der Bürger in der Gesellschaft“ wird seit 1961 eine aus dem Mittelfenster des Chores der Stadtkirche stammende Rosette ausgestellt. In diesem Jahr nämlich wurden die drei von Hans-Gottfried von Stockhausen gestalteten Fenster „Fischzug“, „Abendmahl“ und „Pfingsten“ neu in den Chor eingebaut. An ihrem ursprünglichen Ort war die Rosette zusammen mit wenigen kleinen Fischblasenfenstern als einziges Kirchenfenster unbeschädigt geblieben, als die Munitionsanstalt im Gasterfelder Holz am Ende des Zweiten Weltkrieges gesprengt wurde und die dadurch ausgelöste Druckwelle zahlreiche Schäden in der Stadt verursachte. Die Rosette selbst entstand 1860 im Zuge der neugotischen Überformung der Stadtkirche.

Die Rosette hat eine beruhigende, suggestive und meditative Wirkung. In ihrem Mittelpunkt erscheint im Blau des Firmaments ein Abbild der Sonne, das auf Christus verweist. Das Licht, das auch im Museum auf Grund einer besonderen Konstruktion durch das Glas scheint, verstand man im Mittelalter als „lumen de lumine“, als Licht vom ewigen Licht und damit symbolisch für den von Gott gesandten Christus. Hier liegt auch einer der Gründe, warum der Wolfhager Kirchenmusikdirektor Bernd Geiersbach und seine Frau Simone Straka-Geiersbach das letzte Wolfhager Musical „Lux aeterna“ („Ewiges Licht“) gerade in der Stadtkirche aufführten. Dabei wurde der Auftritt des Jesuskindes beim erlösenden Schlussabendmahl durch die Erleuchtung genau des Chorfensters begleitet, das sich heute am Platz der Rosette befindet. 
Um die Sonne legen sich in der Rosette konzentrisch vier achtfach geteilte Ringe. Schon in vorchristlicher Zeit gilt die Acht als Zeichen für die Ewigkeit und für die Vollendung. Die Bibel sieht in der Acht immer einen Neuanfang mit Ziel der unzerstörbaren Ewigkeit. Acht Menschen werden in der Arche Noah vor dem Untergang der alten sündhaften Menschheit gerettet und begründen die neue Menschheit nach der Sintflut. Der achte Sohn des Isai („Jesse“) begründet das Geschlecht, aus dem Christus stammt.
Erst aus der Nähe kann man im Museum die filigrane Glasmalerei der Rosette wahrnehmen, deren letzte Restaurierung im Jahr 2012 abgeschlossen wurde. Seitdem erstrahlt sie wieder in neuem Glanz. Zur Stabilisierung der Rosette wurden die Felder des Rahmens mit einem Messingprofil verstärkt. Bei genauer Betrachtung wirken jetzt die feine Konturierung der mit Schwarzlot aufgemalten Pflanzenmotive und die sorgfältige Verbleiung der Scheiben mit Halbrundprofilen noch plastischer. Die Evangelische Kirche, die diese Restaurierung maßgeblich finanzierte, stellt dem Regionalmuseum die Rosette als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Gelesen 9465 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 02 Dezember 2015 12:27