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Dienstag, 02 August 2016 10:28

Exponat des Monats August 2016

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Wolfgang Schiffner mit der über 300 Jahre alten Abendmahlskanne Wolfgang Schiffner mit der über 300 Jahre alten Abendmahlskanne Beate Bickel

Abendmahlskanne aus dem Jahr 1699

Von Wolfgang Schiffner

Noch vor 50 Jahren waren Gegenstände aus Zinn beliebt, während sie heute kaum noch eine Rolle spielen. Aus Zinn waren früher Vasen, Kerzenständer, Medaillons, Pokale, aber auch Zierteller und Krüge. Sammler im 19. Jahrhundert waren stolz auf ihre Zahl von Zinnsoldaten.

Hans Christian Andersen wusste das und schrieb sein bekanntes Märchen: „Der standhafte Zinnsoldat“. Wer in dieser Zeit sich teures Porzellangeschirr nicht leisten konnte, der benutzte Teller, Besteck und Krüge aus Zinn. Damit zeigte man seinen Wohlstand als Bürger, denn Zinn galt als das Silber des kleinen Mannes, der sich mehr leisten konnte als Keramikgeschirr.
Das Material Zinn hatte Vorteile. Es war sehr stabil, korrodierte nicht und vertrug sich gut mit Speisen und Getränken. Hergestellt wurde es seit dem Mittelalter im Gussverfahren oder mit anderen Techniken von Zinngießern. Sie sind im 18./19. Jahrhundert mit 14 Werkstätten in Kassel mit einigen Dokumenten belegt. Auch in Wolfhagen gab es in dieser Zeit 9 Zinngießer, über die allerdings wenig bekannt ist. Da reines Zinn zu weich ist, musste man es mit anderen Metallen legieren. Beliebt war der Zusatz von Blei. Doch bald erkannte man die giftige Wirkung des Bleis und reduzierte seinen Anteil. Im Deutschen Reich war er nach einem Gesetz von 1887 auf 0,5 Prozent beschränkt.
Der Gebrauch von Abendmahlskannen aus Zinn in den Kirchen war weit verbreitet. In ihnen wurde der Wein für die Eucharistie aufbewahrt. Bei der Feier des Abendmahls wurde der Wein in den Abendmahlskelch, der dem Gläubigen gereicht wurde, nachgeschenkt. Im Museum ist eine Abendmahlkanne zu sehen, die aus Ehringen stammt. Auf einem ausladenden Fuß erhebt sich ein konischer Gefäßkörper mit spitz hochgezogenem Ausguss. Der Knauf des getreppten Deckels besteht aus einer Scheibe und Kugelnodus. Der geschweifte Bandhenkel mündet in einen palmettenförmigen Deckelheber. Eine Marke auf dem Boden besagt, dass die Kanne im Jahre 1699 von dem Meister M.K. aus Kassel hergestellt wurde. Dort findet man auch die Gravur „Kümmelig Past. me emit 4 thal, Anno 1704“. Das bedeutet: Pfarrer Kümmelig hat mich für 4 Thaler im Jahre 1704 gekauft. Die 38 cm hohe Kanne wurde wohl lange in Ehringen zusammen mit einem Abendmahlskelch von 1596 gebraucht, der heute zu den Schätzen der Kirchengemeinde gehört und immer noch beim Abendmahl verwendet wird.

Gelesen 6851 mal Letzte Änderung am Dienstag, 02 August 2016 10:34