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Donnerstag, 14 Januar 2021 09:53

Exponat des Monats Januar 2021

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Bernd Klinhardt mit dem Stuhlschlitten des Museums Bernd Klinhardt mit dem Stuhlschlitten des Museums Antje Thon

Stuhlschlitten - ein Winterfreizeitgerät aus längst vergangener Zeit

 

Von Bernd Klinkhardt

 

Zu den negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung seit einigen Jahren gehört das kaum beachtete aber doch als schmerzlich empfundene Verschwinden des traditionellen allgemeinen Wintervergnügens für Klein und Groß in unserer Region: Schlittschuhlaufen, Skilaufen und Skifahren sowie vor allem Schlittenfahren.

Ab 3000 vor Chr. sind bereits Vorformen von Schlittschuhen (unter Holzsohlen befestigte gespaltene Tierknochen) bekannt. Eislaufen ist in Europa in Gegenden mit viel Wasser seit dem 15. Jahrhundert erstmals ein beliebtes Freizeitvergnügen. Skier gebrauchte man bereits vor 5000 Jahren als Fortbewegungsmittel. Das Skifahren an Berghängen ist erstmals im 18. Jahrhundert in Norwegen belegt. ( Ski = norwegisch Holzscheit) Es entwickelt sich seit dem 19. Jahrhundert zum beliebten Freizeitsport im Alpenraum, Schwarzwald und bald auch in den Mittelgebirgen. Schlitten dienten seit 3000 Jahren als winterliches Transportmittel. Als Freizeitgeräte finden ab dem 15. Jahrhundert bereits verzierte Schlitten fast überall eine Verwendung. Der Rodelschlitten („Rodel“, im 16. Jh.im bayrischen Sprachraum = rutschen, wälzen) ist auch heute noch das meist verwendete winterliche Freizeitgerät in vielfältiger Form.
Geschichtsträchtige Winterschlitten, die von dem weitverbreiteten traditionellen einstigen Wintervergnügen zeugen, finden sich gelegentlich versteckt in Kellern oder in einem Museum. Im Regionalmuseum Wolfhager Land können noch drei verschiedene Winterschlitten bestaunt werden: Ein kleiner Kinderholzschlitten, ein kleines Holzpferd auf Kufen und ein seltener Stuhlschlitten.
Der gut erhaltene Stuhlschlitten, Zeugnis einst strenger Winter in unserer Region, war ein Familienerbstück der Wolfhager Apothekerfamilie Heisen, die ihn 2005 dem Museum schenkte. Der aus Mischholz (Buche, Eiche und Fichte) in den Maßen( H 89 x B 78 und L76) von einem Tischler gefertigte undatierte Schlittenstuhl ist zum Teil holzvernagelt. Der Schlittensitz ist in Form eines einfachen Holzstuhls mit Armlehnen gebaut und auf stahlbeschlagenen Holzkufen fest verankert. Vor dem Stuhl sind 4 Bretter über die Kufen genagelt, auf denen die Füße gestellt werden konnten. Die Enden des Oberteils der Rückenlehne ragen seitlich als Handgriffe heraus. Ein hinter dem Schlitten gehende Person konnte den Schlitten auf diese Weise kontrolliert schieben und lenken. Auf dem Stuhl dürften Kinder und Erwachsene gesessen haben, möglicherweise auch ältere und gehbehinderte  Personen. Es ist davon auszugehen, dass der Schlitten vor allem auf den zugefrorenen Gewässern vor der Stadt Wolfhagen am Tränkeweg und in den Teichwiesen zum Einsatz kam. Daher findet sich auch häufig die Bezeichnung „Eisschlitten“. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kamen bald auch in Kleinstädten Stuhlschlitten groß in Mode. Schlitten dieser Art waren bei Damen sehr beliebt, die sich von einer Schlittschuh laufenden Person zum Vergnügen über das Eis schieben ließen. In vornehmen Kreisen mussten gelegentlich Bedienstet die älteren Töchter in die Schule schieben.
Ein Wintervergnügen, wie es Ältere noch aus ihrer Kindheit kennen, wird voraussichtlich in zunehmendem Maß bei frostigen Temperaturen und hinreichendem Schneefall nur noch in hoch gelegenen Bergregionen der Alpen und Skandinaviens möglich sein.

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                          

 

                            

 

 

 

 

 

 

 

                               
                              

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                          

 

                            

 

 

 

 

 

 

 

                               
                              

 

Gelesen 3146 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 14 Januar 2021 10:05