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Donnerstag, 01 April 2021 09:38

Exponat des Monats April 2021:

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Hermann Neumeyer mit der Handspritze des Museums Hermann Neumeyer mit der Handspritze des Museums Rosemarie Neumeyer

Tragbare Handspritze zur Feuerbekämfung um 1800

von Hermann Neumeyer

In der Abteilung „Der Bürger in der Gesellschaft“ des Regionalmuseums „Wolfhager Land“ ist unter den Dienstleistungen im Gemeinwesen auch eine im Jahr 1795 angeschaffte tragbare Handspritze zur Feuerbekämpfung ausgestellt.

Zur Spritze gehören auch drei Ledereimer. Einen solchen Eimer hatte jeder Wolfhager bei der Erlangung des Bürgerrechtes der Stadt zu stiften. Alle arbeitsfähigen Einwohner mussten im Falle eines Brandes zwischen der Brandstelle und der Wasserentnahmestelle zwei Eimerketten bilden, eine Kette für die gefüllten Eimer und eine weitere für die Rückgabe der leeren Eimer. Fortlaufend wurden die Wassereimer in den Spritzenbottich entleert. Durch einen Kolben wurde das Wasser aus dem Bottich angesaugt und mit der Gegenbewegung in den von einer Messingspitze abgeschlossenen Spritzenschlauch gedrückt. Damals und noch bis etwa 1950 wurden die Schläuche auf Flachwebstühlen produziert, wobei als Material bevorzugt Hanf im Einsatz war, der im nassen Zustand aufquoll und so für die Dichtigkeit des Schlauches sorgte.  
Zu den Handspritzen gehörten jeweils Spritzenmannschaften. Diese bildeten zusammen mit dem Bürgermeister und dem Vizebürgermeister an der Spitze eine Pflichtfeuerwehr, die im Jahr 1880 aus neun Mannschaften mit insgesamt 31 Mann bestand. Erst 1885 wurde diese durch die Gründung einer freiwilligen Feuerwehr abgelöst. Eine entscheidende Verbesserung der Versorgung mit Löschwasser ergab sich durch die moderne Wasserleitung, die im Jahr 1897 in Betrieb genommen wurde.
Wenn ein Bewohner der Stadt nicht zur Brandbekämpfung erschien, musste er innerhalb von sieben Tagen die Stadt verlassen. Andernfalls musste er im „Stock“ sitzen. Das war ein mit einem Pranger vergleichbarer Holzblock, der mehrere Löcher hatte, durch die der Verurteilte seine Hände und den Hals oder seine Beine stecken musste.
Großbrände jedoch konnten wegen der mangelhaften Löschwasserversorgung und der Unzulänglichkeit der Eimerketten nicht gelöscht werden. Infolge der engen Bebauung und der Fachwerkarchitektur mit den hölzernen Dachstühlen sanken ganze Häuserzeilen und Stadtviertel in Schutt und Asche. Im Gegensatz zu den Nachbarstädten Naumburg, Zierenberg und Volkmarsen erlebte Wolfhagen jedoch nach dem Dreißigjährigen Krieg keine flächenhaften Großbrände mehr, was für die Zuverlässigkeit des damaligen Feuerlöschwesens in Wolfhagen spricht. Zwar besaß der Stadthügel wegen seiner kluftreichen Muschelkalklagerung selbst keine Quelle, doch boten die unmittelbar vor der Stadtmauer gelegenen  Quellen gegenüber dem Teichtor und vor den Kampwiesen am Hagen zunächst genügend Quellwasser. Die daraus gespeisten zahlreichen kleinen Bachläufe und unterhalb der mittelalterlichen Stadt aufgestauten Teiche dienten auch der Feuerlöschung.
Schwierig war jedoch von Anfang an die Überführung des Quellwassers in die höher gelegenen Bereiche der mittelalterlichen Stadt, vor allem bei Belagerungen und Bränden. Daher sorgte man für eine Wasserführung vom hochgelegenen, ergiebigen Quellhorizont des Glockenborns bei Bründersen zunächst in ein Sammelbecken unterhalb des Gotzenberges, von dem aus man eine Wasserleitung mit ausgehöhlten Baumstämmen in die mittelalterliche Stadt anlegte und damit insgesamt sieben Kümpe versorgen konnte, darunter den Kump am Kirchplatz, aus dem der heutige Märchenbrunnen hervorging. Vor allem an diesen Kümpen starteten die Eimerketten, um Löschwasser zu den Spritzen an den Brandherden zu transportieren.



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