Wie schwer es ist, sich der Verführungskraft des anregenden Getränks zu entziehen, wussten schon unsere Vorfahren. Im späten 18. Jahrhundert hätte hierzulande der betörende Duft frisch gebrauten Kaffees jedoch nicht nur die Liebhaber der braunen Bohnen in Entzücken versetzt, sondern auch die Staatsdiener in Uniform auf den Plan gerufen. Ab 1766 waren mehrfach Verordnungen erlassen worden, die sowohl den Kaffeekonsum als auch das private Rösten der teuren Kaffeebohnen reglementierten, für die unteren Stände sogar untersagten.
Landgraf Friedrich II. von Hessen war, wie alle Landesfürsten seiner Zeit, Anhänger des merkantilistischen Wirtschaftssystems, das sich auszeichnete durch das Prinzip: viel exportieren, möglichst wenig importieren. Ausgaben für Kaffee und andere „Luxusimporte“ wurden als überflüssig, vor allen Dingen aber als schädlich für den Reichtum des Landes angesehen. Das Geld sollte im Lande bleiben und für einheimische Erzeugnisse ausgegeben werden - in diesem Falle für Roggen, Malz und Bier. Da die Untertanen jedoch weder bereit waren, gänzlich auf den Genuss von Bohnenkaffee zu verzichten, noch seinen durch hohe Zölle ständig steigenden Preis zu bezahlen, blühte der Schmuggel mit den Rohbohnen aus dem Ausland .
Spiekershausen, das idyllische Dörfchen an der Fulda, avancierte in den Zeiten der hessischen „Kaffeeprohibition“ zum Schmugglernest, profitierte es doch von seiner günstigen Grenzlage zwischen Hessen-Kassel und dem Königreich Hannover. Dort war, bedingt durch die enge Verbindung zur Handelsnation England, die begehrte Ware billiger und leichter zu haben. Als Reaktion auf das gesetzwidrige Verhalten seiner Untertanen brachte nun der hessische Landgraf, wie vor ihm Friedrich der Große im Königreich Preußen, eigens geschulte „Kafferiecher“ zum Einsatz, die schnüffelnd Städte und Dörfer durchstreiften, um festzustellen, ob irgendwo der Duft illegal gerösteter Kaffeebohnen aufstieg.
Die landgräflichen Fahnder verschafften sich Zugang zu Häusern und Wohnstuben, spionierten in Küchen und Speisekammern, durften sogar die Kleider der Frauen beschnuppern, um den Besitz der Schmugglerware nachzuweisen. Drakonische Strafen wurden verhängt, die Kaffeevorräte beschlagnahmt und sämtliche für die Zubereitung notwendigen Gerätschaften aus dem Verkehr gezogen.
Um 1800 schließlich waren die Restriktionen aufgehoben und Bohnenkaffee wurde jedem zugänglich, der ihn sich leisten konnte. In vielen Haushalten fanden Röstpfannen und Rösttrommeln noch bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts Verwendung, waren Rohbohnen vom Kolonialwarenhändler stets preiswerter als der kommerziell geröstete und fertig abgepackte Bohnenkaffee. Auch in Notzeiten, besonders während der beiden Weltkriege, waren sie von großem Nutzen: Man röstete darin Getreidekörner wie Roggen und Gerste oder die Wurzeln der Wegwarte (Zichorie) als Ersatz für die nicht verfügbaren „echten“ Kaffeebohnen.
Annette Schaub-Böttcher
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