Menschen sieht man eigentlich nicht, wird in heutiger Zeit Getreide geerntet. Das Bild wird beherrscht von eindrucksvollen Erntemaschinen, den Mähdreschern. Ebenso riesige Zugmaschinen, meist mit zwei großen Anhängern, transportieren das Korn an seinen jeweiligen Bestimmungsort. Die Landwirte ernten häufig genug nicht mehr selbst, Lohnunternehmer verrichten die Arbeit, denn die rationell arbeitenden Maschinen können sich die wenigsten landwirtschaftlichen Betriebe leisten.
Dem genauen Beobachter mag allerdings – vielleicht bei einem Spaziergang - aufgefallen sein, dass auf den abgeernteten Feldern viele Körner und ganze Ähren zwischen den Stoppeln liegen geblieben sind. In Zeiten der industrialisierten Landwirtschaft geht es um Schnelligkeit.
Schnell musste die Ernte auch in früheren Zeiten eingebracht werden. Regenwetter konnte schon immer für eine Verknappung der Zeit sorgen. Dass jedoch Frucht auf den Feldern liegen blieb, kam nicht vor. Davon erzählt unser Exponat des Monats.
Jean-Francois Millet malte sein Bild – Öl auf Leinwand – im Jahr 1857. Es zeigt drei gebückt arbeitende Frauen, die auf einem riesigen Feld mühsam einzelne Halme aufsammeln. Die eigentliche Ernte ist bereits verladen, im Hintergrund sieht man den zur Abfahrt bereit stehenden, voll beladenen Wagen. Die Frauen zählen zu den Armen, denen es erlaubt war, die liegengebliebenen Ähren für sich einzusammeln.
Das Bild im Regionalmuseum Wolfhagen ist ein jüngerer Nachdruck und wurde uns dankenswerterweise von Georg Kuhhaupt aus Ehringen zur Verfügung gestellt. Es wurde vermutlich um 1900 mit Hilfe der noch neuen Technik der Chromolithographie – dem Farbsteindruck - hergestellt. Denn erst mit Einführung der Steindruckschnellpresse seit den 1870er Jahren wurde es möglich Farbabbildungen in hohen Auflagen zu produzieren.
Die Ährenleserinnen – neben anderen Bildern Millets - gehörten bis in die 1930er Jahre zu den Erfolgsdrucken schlechthin. Das Motiv war in verschiedenen Größen und sogar in unterschiedlichen Farbrichtungen zu erwerben. Ein Hinweis für die Bedeutung des Themas?
Rund hundert Jahre später war das Ährenlesen jedenfalls noch immer, oder wieder, Thema, wie sich Bernd Klinkhardt, ehrenamtlicher Museumleiter im Regionalmuseum Wolfhager Land erinnert. Die von ihm zur Verfügung gestellte Fotografie zeigt seine Familie mit ihrer Ausbeute im Jahr 1948. Er selbst ist zwar nicht mit abgelichtet, doch war er in der Regel selbstverständlich auch mit dabei.
Beate Bickel
Der ehrenamtliche Museumleiter Bernd Klinkhardt erinnert sich noch gut an das Ährenlesen in seiner alten Heimat in der Nachkriegszeit. Die Abbildung zeigt v. l. seine Schwester Gisela und seine Eltern Theodor und Margarete Klinkhardt im Jahr 1948 im thüringischen Dorf Nazza in der Nähe von Eisenach.
Kontakt: www.regionalmuseum-wolfhager-land.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung.