Um den Bezug zum künstlerisch gestalteten Bibeldruck der Gegenwart herzustellen, hat Tasso Minkner aus Naumburg-Altenstädt die 1995 gedruckte Ernst-Fuchs-Bibel, die Hundertwasser-Bibel und Arbeiten des Berliner Künstlers Hans-Joachim Burgert dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Hier soll vor allem auf die Fuchs-Bibel eingegangen werden.
Ernst Fuchs wurde 1930 in Wien geboren. Wegen antisemitischer Anfeindungen flüchtete sein jüdischer Vater 1939 nach Shanghai. Ernst wurde, um den Anfeindungen zu entgehen, 1942 im Alter von 12 Jahren römisch-katholisch getauft. Diese Taufe – sehr bewusst wahrgenommen – erklärt, warum ein Großteil seines künstlerischen Werkes religiöse Inhalte hat.
1948 gründete Fuchs die „Wiener Schule des phantastischen Realismus“. In Paris, wo er 12 Jahre wohnte, befreundete er sich mit Salvador Dali, Jean Cocteau und mit dem Kreis um Jean-Paul Sartre. Seit 1962 ist er ein international anerkannter und hochdekorierter Künstler. Er erhielt unzählige Auszeichnungen und Aufträge für Arbeiten in öffentlichen Räumen - zu seinem Werk gehören auch Monumentalskulpturen und Architektur-Entwürfe wie die von Ihm gestaltete St. Jakobuskirche in Thal bei Graz. Er lebt in der von ihm 1972 erworbenen und zu seinem Museum umgestalteten Jugendstil-Villa Wagner in Wien, und seit 1988 hat er sein Atelier in Monte Carlo.
In der Fuchs-Bibel sind 80 ganzseitige Farbbilder aus dem Gesamtwerk abgebildet. Es sind perfekte Reproduktionen seiner Gemälde. Daneben hat er auch Radierungen und Zeichnungen erstmals veröffentlicht. Seine Bilder sind gekennzeichnet durch eine altmeisterliche Malweise. Sie sind ungewöhnlich detailgetreu, beinhalten eine präzise Gestaltung, die gleichzeitig phantasievoll „den Gedankeninhalt symbolträchtig überhöhen und surreal verfremden“. Durch „chromatische Farbakkorde und irisierende Nuancen (erlangen sie) Pathos und vergeistigte Tiefe“, so dass Wort und Bild sich wechselseitig erhellen. „Wort und Bild eröffnen einen halbierten Dialog mit dem Leser und Betrachter“ so Prof. Karl Matthäus Woschitz von der Universität Graz. Seine Auseinandersetzung mit den biblischen Themen, als „Wahrheit von oben“ empfunden, sind beispielhaft erfasst als rätselhafte Formen religiöser Existenz. Es geht dabei um Berufung und Nachfolge, Irrtum, Gnade und Gericht, um Schöpfung und Geschichte – bis hin zum Ende.
Ernst Fuchs formulierte selbst: Diese Bibel – übrigens in einem prächtigen metallisch goldenen Ledereinband gebundenen – „ist die Krönung meines Lebenswerks, die Summe meines künstlerischen Schaffens“.
Tasso Minkner
Abb. 2: Ernst Fuchs mit „seiner“ Goldenen Bibel 1996