Abgeleisteter Militärdienst wurde vielfach Voraussetzung für ein Vorankommen in gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht. Soldat zu sein, seinen Wehrdienst abzuleisten, hatte gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert eine Wertigkeit bekommen, die heute kaum noch nachvollziehbar ist. Für die meisten jungen Männer bedeutete es darüber hinaus, erstmals ihr Zuhause zu verlassen, neue Welten kennen zu lernen. Es wurde modern, sich nach Ableistung der aktiven Dienstzeit Erinnerungsstücke anfertigen zu lassen. Das konnten Bilder, Pfeifen, Schnapsflaschen oder Bierkrüge sein, die die Soldaten bei von Garnison zu Garnison ziehenden Vertretern bestellten. Zuhause angekommen, dienten die Stücke dann der Verschönerung des Heims.
Reservistenkrüge gab es seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die frühen Stücke waren vergleichsweise klein und naiv bemalt. Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges 1914 wurden sie dann immer prunkvoller ausgestattet. Sie waren meist aus weißem Porzellan, hatten einen aufgewölbten Zinndeckel mit Daumenrast sowie ein Durchscheinbild im Boden. Das Dekor wurde aufgedruckt und dann per Hand in Massenproduktion koloriert. Nach 1918 wurden die Krüge nur noch selten gefertigt.
Unser im Regionalmuseum Wolfhager Land vorhandene Krug ist aus Steingut, reich reliefiert, farbenfroh bemalt und mit typischen Sprüchen versehen. Hier heißt es beispielsweise: „Reserve hat Ruh“, „Parole Heimat“ oder „Zum letzten Male, Klar Schiff“. „Erinnerung an meine Dienstzeit“ darf selbstverständlich nicht fehlen. Auf dem hoch aufgewölbten Deckel aus Zinn sitzt ein Matrose mit Bierkrug und der Flagge des Deutschen Reiches. Als Daumenrast dient der Preußische Adler.
Es handelt sich um einen eher seltenen Marinekrug. Besitzer war der Reservist Ströber, der von 1911-1914 auf der S. M. S. Westfalen diente, einem Großlinienschiff der Kaiserlichen Flotte. Der Krug wurde dem Museum dankenswerterweise von Georg Landgrebe aus Zierenberg überlassen.
Beate Bickel