In der Chorvereinigung Wolfhagen dagegen singt seit dem Jahr 2002 keiner mehr.
Und ganz allgemein kann vermerkt werden, dass Gesangvereine und Chöre unter erheblichem Nachwuchsmangel leiden. Der Musikgeschmack hat sich verändert. Man ist im Zeitalter elektronischer Medien nicht mehr unbedingt darauf angewiesen, selbst zu musizieren, will man Musik hören.
Das war im vorletzten Jahrhundert anders, man musste selbst zur Tat schreiten: Es ist bekannt, dass im Jahr 1863 zwei Wolfhager Chöre bei einer Veranstaltung sangen. Der Gesangverein Liedertafel wurde 1874 gegründet, der Gesangverein Eintracht im Jahr 1888 und der Arbeitergesangverein Frohsinn im Jahr 1921. Ebenfalls in den 1920er Jahren hatte sich ein Frauenchor der Evangelischen Kirche zusammengefunden. Er schloss sich 1929 mit der Liedertafel zum ersten gemischten Chor Wolfhagens zusammen. Davor durften in den Gesangvereinen nur Männer singen. Und auch nicht jeder Mann wurde aufgenommen.
Davon, dass nicht jeder Mann bei der Liedertafel singen durfte, legt unsere Exponat des Monats die Ballotage Zeugnis ab. Es handelt sich um einen rechteckigen Kasten auf dessen Deckel ein schwarzer und ein weißer Einwurfschacht aufgesetzt sind.
Der Kasten selbst ist rotbraun lasiert und mit farbigen Schnitzereien verziert. Zentrales Element auf der Vorderseite ist eine goldfarbige Engelsharfe. Mit Hilfe dieser Ballotage wurde beim Gesangverein Liedertafel darüber abgestimmt, ob der Anwärter aufgenommen werden sollte oder nicht. Schwarze Kugeln bedeuteten ein Nein, weiße ein Ja.
Liedertafel und Eintracht schlossen sich jedenfalls 1933 – nicht ganz freiwillig – zur Chorvereinigung Wolfhagen zusammen. Der Arbeitergesangverein Frohsinn wurde aufgelöst, einzelne Mitglieder machten bei der neuen Chorvereinigung mit. Hintergrund für diese Umstrukturierungen war ein Erlass des Deutschen Sängerbundes aus dem Jahr 1933, der Gemeinden mit weniger als 3000 Einwohnern, nur einen Gesangverein gestattete. Unter nationalsozialistischer Herrschaft erlahmte die Vereinsarbeit und kam während des 2. Weltkrieges ganz zum Erliegen. Doch bereits ein Jahr nach Kriegsende schlossen sich wieder Sänger zusammen – unter dem Dach des Turn- und Sportvereins – da die Besatzungsmächte jeder Gemeinde zunächst nur einen Verein gestattete. Zwei Jahre später war man dann mit der Chorvereinigung Wolfhagen wieder selbständig. Es wurde nun bis zum Jahr 2002 als gemischter Chor gesungen.
Beate Bickel
Weitere Informationen: Regionalmuseum Wolfhager Land, 05692/992431, www.regionalmuseum-wolfhager-land.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung.