Das Album, ein Poesiealbum, gehört zu einem ganzen Konvolut an Schätzen aus Papier, die der ehemalige Wolfhager Apotheker Karl-Wilhelm Heisen unserem Museum überließ. Darunter befanden sich auch drei Poesiealben. Alle drei stammen vermutlich aus seiner Familie mütterlicherseits und sind ganz besondere Schmuckstücke.
Die Bücher sind - wie bei dieser Art Alben früher üblich - im Oktavformat, also rund 20 mal 13,5 cm groß. Drei Poesiealben unterschiedlichen Alters: Das älteste, rund 150 Jahre alt, der früheste Eintrag datiert auf den 22. Januar 1858, ist mit Deckeln aus schwarzem, geprägten Leder versehen und trägt schlicht die Aufschrift „Album“, allerdings goldfarbig ausgemalt und ist ein Querformat. Vermutlich gehörte es Elise Urhahn, der Urgroßmutter des Stifters. Der Vorname Elise wird jedenfalls mehrfach in den Widmungen erwähnt. Elise hielt sich in den Jahren 1858/59 in Marburg auf, denn der Großteil der Einträge nennt Marburg als Ortsangabe. In den Widmungen wird zusätzlich häufig der Heimatort der Schreiberin genannt: Schreiberin, denn mit zwei Ausnahmen haben ausschließlich Frauen ihre Worte der Freundschaft hinterlassen. Die ausgewählten Gedichte sind lang, gehen teilweise über zwei Seiten und wurden in ausgesprochener Schönschrift verfasst. Unterschrieben sind fast alle Einträge mit „deine dich liebende“ oder in der Steigerung „deine dich innig liebende Freundin“ oder auch „Cousine“.
Das zweite Album stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts und gehörte Anna Leister, der kleinsten Schwester aus dem „Dreimädelhaus Leister“ in Wolfhagen, später verheiratete Dohme. Sie war die Großtante unseres Spenders Karl Wilhelm Heisen. Das Büchlein ist ebenfalls mit Deckeln aus geprägtem Leder ausgestattet. Zeitlich stammen die Einträge von 1890/91 und dann noch einmal aus dem Jahr 1905. Die Gedichte sind teilweise identisch mit denen aus dem rund dreißig Jahre älteren Exemplar. Die neu hinzugekommenen sind wesentlich kürzer. Dafür sind einigen Beiträgen kleine Zeichnungen hinzugefügt. Einige sind mit „Pensionsschwester“ und der Ortsangabe „Kassel“ unterzeichnet und zusätzlich mit den Heimatorten der Freundinnen versehen, ein Hinweis darauf, dass auch Anna Leister vermutlich zum Zweck der Erziehung und Bildung eine Zeit in Kassel verbrachte. Die Widmungen sind meist nicht mehr ganz so gefühlsbetont wie in unserem älteren Exemplar.
Unser jüngstes Büchlein gehörte Elisabeth Hardt, der Mutter von Karl Wilhelm Heisen. Es ist mit Deckeln aus geprägter und gefärbter Pappe versehen und zum Schutz in Pergamentpapier eingeschlagen. Hier umfassen die Einträge die Jahre von 1917 bis 1920. Es handelt sich um das Album eines jungen Mädchens. Elisabeth war acht Jahre alt, als sie es begann. Die auch hier in Schönschrift eingetragenen Verse sind kurz, häufig nur Vierzeiler, sie erinnern eher an Sinnsprüche. Dafür sind die Seiten reich geschmückt mit sogenannten Glanz- oder Lackbildern, die um die Jahrhundertwende ganz groß in Mode waren. Auch hier stammen die Einträge vornehmlich aus weiblicher Hand. Die Widmungen klingen dagegen fast nüchtern. Jetzt heißt es meist lediglich: „Zur freundlichen Erinnerung...“
Heute, so Barbara Seidler vom Wolfhager Schreibwarengeschäft in der Schützeberger Straße, gibt es neben den traditionellen Poesiealben die sogenannten Freundschaftsbücher. Hier sind es nicht mehr Gedichte, sondern persönliche Daten und Vorlieben des Eintragenden, die auf entsprechend vorgedruckten Seiten ausgefüllt werden. Die Nachfrage nach Poesiealben besteht allerdings parallel weiter. Häufig sind es jetzt eher Sprüche, auch ´mal der Beginn eines englischen Liedtextes, die die gefühlsbetonten Texte und Verse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts abgelöst haben. „Mädchenkram“ ist es allerdings geblieben.