Mittwoch, 15 November 2017 09:29

Exponat des Monats

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Exponat des Monats Norbert Müller

Fachwerk-Gerüstwand mit Portal

von Hermann Neumeyer
 
Einer der Schwerpunkte des Wolfhager Regionalmuseums ist seine Fachwerkabteilung mit zahlreichen kunstvoll gefertigten Fachwerkmodellen im Maßstab 1:20.

Der besondere Charakter dieses Raumes aber entsteht durch eine Fachwerk-Gerüstwand von 1694 im Original, die vom Haus Nr. 29 in Viesebeck stammt und hier wieder aufgebaut wurde. Um das Fachwerk in Rähmbauweise, die ohne geschossübergreifende Ständer auskommt, aufstellen zu können, musste lediglich die linke Querseite im Museum neu abgezimmert werden.
Auffällig ist zunächst die intensive, rotbraune Ochsenblutfarbe. So wird häufig die Farbe genannt, in der die Holzbalken vieler Fachwerkhäuser und auch des Alten Rathauses in Wolfhagen gestrichen sind. Der rostrote Farbton rührt jedoch keineswegs von Blut her, sondern von Eisenoxiden, also schlichtweg von Rost. Eine Farbe auf der Basis von Blut würde sich für den Außenanstrich auch kaum eignen, denn sie wäre nicht wasserfest und würde nicht vor Wind und Sonne schützen. Dieser typische Fachwerkanstrich war in der Vergangenheit eine Ölfarbe auf der Basis von Leinölfirnis, die mit Eisenoxidpigment getönt war.
Zur Rähmbauweise gehört, dass ein Stockwerk nach oben durch die waagerechten Rähmbalken abgeschlossen wird und darüber das nächste Stockwerk mit den Schwellenbalken beginnt. Dazwischen liegen die Deckenbalken, deren Balkenköpfe als Stichbalken sichtbar sind und im Wolfhager Land meist durch Margeritenmuster verziert sind, wie auch das vorliegende Beispiel zeigt. Dabei dürfte auch hier, wie bei vielen Fachwerkhäusern des 17. und 18. Jahrhunderts, der Wolfhager Rathausneubau von 1657/59 mit seinen 222 Margaritenblüten eine Vorbildfunktion ausgeübt haben. Rähm- und Schwellenbalken sind deutlich profiliert, wobei die in Wolfhagen zahlreich vorhandenen Taustäbe bei diesem Gebälk aus Viesebeck allerdings fehlen. Dagegen sind die Füllhölzer zwischen den Stichbalken mit Blattrankenornamenten verziert, die in der Tradition der Antike, insbesondere der Arabeske, stehen und deren saubere Ausführung auf die Verwendung einer Schablone verweist. Diese Technik breitete sich seit der Barockzeit aus. Dadurch sollte die konstruktive Schwere des Balkengefüges durch eine flache, bewegte und zugleich symmetrische Struktur überlagert werden. So entstanden geschwungene Rankenornamente, die stark stilisiert sind und die ewige Lebenserneuerung verkörpern.
Die Inschrift „FERDINANDUS UNGEFUCK UND ANNA CATHARINA SEINE EHELICH HAUSFRAU HABEN GOTT VERTRAUT UND DIS HAUS GEBAUT ANNO 1694 9TEN JUNI“ auf den Schwellen- und Rähmbalken zeigt lateinische Großbuchstaben in der einfachen Antiquaform, die seit der Renaissance üblich wurde. Damit im Einklang steht auch eine Latinisierung der deutschen Sprache, die durch das von Reformation und Humanismus angeregte Bildungsbewusstsein zum Tragen kam, die sich in dieser Inschrift aber auf den Vornamen „Ferdinandus“ beschränkt.
Die Doppelflügeltür stammt allerdings nicht aus demselben Haus, sondern aus dem heute noch stehenden Haus Dellbrückenstraße 19 in Wolfhagen. Beide Häuser wurden um 1700 von demselben Zimmermann gebaut, wie an den Fachwerkornamenten deutlich wird. Die schmückenden Hundefiguren und die Vasen symbolisieren den Beruf des Mannes, der in diesem Haus wohnte. Georg Becker war Wasenmeister, d. h. Abdecker wie schon sein Vater, Großvater und auch die nachfolgenden Generationen. Dabei sind die Vasen als Gerätschaften zur Verwertung der Kadaver und die Hunde als Helfer beim Aufspüren toter Tiere zu verstehen. Die restaurierten Torflügel zeigen auf den mittleren vier und den oberen zwei Feldern insgesamt sechs Vasen und auf den horizontalen unteren Querleisten zwei liegende, sich anschauende Hunde. Im oberen Bereich der Tür heben sich zwei konsolartig vorspringende Leisten ab, die Weinblattranken mit Trauben zeigen. Insgesamt ergibt sich durch diese nachträglich aufgesetzten Ornamente eine harmonische Struktur im Stil des Empire. Kaum vorstellbar ist, dass diese wertvolle Doppelflügeltür bereits in einem Hühnerstall lagerte, einiger Zierleisten von einem Sammler beraubt und dem endgültigen Verfall preisgegeben worden war, nachdem der langjährige Hausbesitzer sein landwirtschaftliches Anwesen ausgesiedelt und der Nachfolgebesitzer diese Tür ausgebaut hatte, um Platz für eine neue, kleinere Haustür zu haben.   

Gelesen 4528 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 15 November 2017 09:33

Veranstaltungen

 

--Veranstaltungen 2024--

 

Sonntag, 10. März, 15 Uhr 

Erzählcafé

Zum Thema: Magie und Aberglaube im Wolfhager Land

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 25. April, 18 Uhr Ausstellungseröffnung

bis Sonntag, 21. Juli

Ausstellung

Sonderausstellung: Magie und Aberglaube im Mittelalter 

Einführung in die Ausstellung: Beate Bickel M. A.

Musikalische Begleitung: Korydwenn

 

 

Sonntag, 19. Mai, 14-17 Uhr

Familientag

Internationaler Museumstag

14 Uhr: Mittelalterlicher Bogenbau mit Michael Stiller, Ippinghausen 

16 Uhr: Barbara Rüffert erzählt Märchen

Selbstgebackener Kuchen, Kaffee und gekühlte Getränke und gute Laune

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr

Vortrag / Lesung / Gespräch - Himmel hilf!

Vortrag: Dr. Tillmann Bendikowski, Hamburg: Himmel hilf! Warum wir Halt in übernatürlichen Kräften suchen

(gemeinsam mit der Buchhandlung Mander)

Eintritt 5 Euro, SchülerInnen und Studierende frei

 

Anfang Juli

Ausstellung

Ausstellung von Schülerarbeiten, Wahlunterricht Kunst Klasse 10 der Walter-Lübcke-Schule mit Karin Balkenhol

 

Donnerstag, 12. September, 19 Uhr

Vortrag - Die große Welt im kleinen Format

Prof. Dr. Sabine Thümmler, Berlin: Die große Welt im kleinen Format. Möbelstile in Wolfhager Puppenstuben zwischen Historismus und Neuer Sachlichkeit.

Eintritt 3 Euro, Mitglieder des Museumsvereins, SchülerInnen und Studierende frei

 

Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr-16.30 Uhr

Musik

Mittelalterliche Musik mit Korydwenn, Ippinghausen

Einritt frei, Spenden erbeten!

 

 

 
Der Eintritt ist für alle Veranstaltungen frei für Mitglieder des Museumsvereins, Schüler/innen und Studierende.
 
Unser Dank für freundliche Unterstützung gilt der Kasseler Sparkasse, der VHS Region Kassel, dem Hess. Museumverband und der Kulturstiftung des Landkreises Kassel.