Montag, 08 Juni 2020 08:14

Exponat des Monats Juni 2020

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Exponat des Monats Juni 2020 Ursula Neubauer

Die Grabsteine der Papiermacherfamilie Scheuermann

von Hermann Neumeyer

Zum Wolfhager Regionalmuseum gehört ein Lapidarium, das sich auf der Terrasse zwischen den beiden Museumsgebäuden Renthof und Zehntscheune befindet.

Dazu gehören die beiden aufwändig im Barockstil gefertigten Grabsteine des Papiermachergeschlechtes Scheuermann an der Südwand des Renthofes . Es handelt sich dabei um die beiden ältesten Grabsteine der Grablege auf dem Schützeberg, wo die Papiermacherfamilie Scheuermann als Besitzer der Schützeberger Mühle ihre Mitglieder nach einem landesherrlichen Privileg bestatten durfte.  Die Steine wurden 1996/97 restauriert und von den Nachfahren der Familie Scheuermann dem Regionalmuseum übergeben. Die stark verwitterten Inschriften wurden nachgeschlagen und können heute nachvollzogen werden:     
ALLHIER RUHET IN GOT DER KUNST ERFARNE PAPPIERMACH MICHEL SCHUERMAN GEBOREN IN LEMGO AO 1612
IST IM HERRN ENTSCHLAFFEN IN DER 2 ADVENTISWOCHEN AO 1676
SEINES ALTERS 64 JAHR.
LEICHTEXT LUCAS AM 11 CAP W 29  HERR NUN LESEST DU DEINEN DIENER IN FRIEDEN RUN

ALLHIER RUHET IN GOT WITTIB (Witwe) CATHARINA SELIG AUS LEMGO
IHRES KUNSTERFARNEN MICHEL SCHUERMAN.
HERR CRISTO FRAU IST GESTORBEN 1693 IHRES ALTERS 80 JAHR
LEICHTEXT PAULUS 2W 15  SIE WIRD ABER SELIG WERDEEN DURCH KINDER ZEUGEN WAN SIE BLEIBET 8 C

Im Wolfhager Land begann 1619 die Papierherstellung, als die Familie von der Malsburg den Papiermacher Matthias Scheuermann aus Lemgo berief, der nahe ihres Schlosses Elmarshausen eine Papiermühle an der Erpe gründete, wo schon seit 1236 eine Getreidemahlmühle bestand. Oft wurden Getreidemahlmühlen zu Papiermühlen umgebaut oder erweitert, wie es 1670 bei der Schützeberger Mühle geschah, an die heute noch das Anwesen der Familie Kleinschmidt am Eisenbahnviadukt erinnert. Diese Umbauten und Erweiterungen gehen an der Erpe auf Michael Scheuermann zurück, den Stammvater der Familie Scheuermann, dessen Grabstein zusammen mit dem seiner Frau Katharina das Exponat des Monats ist.
Später führten die Nachfahren die Mühlen weiter, bauten weitere Mühlenbetriebe und übten das Handwerk bis in die 1830er Jahre aus, bevor die Elmarshäuser Papiermühle mit Beginn der Industrialisierung unrentabel und in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt wurde. Der letzte Elmarshäuser Papiermüller lebte anschließend noch auf der Langeler Mühle zwischen Wolfhagen und Elmarshausen als Getreidemüller.
Das Elmarshäuser Papier mit dem Wasserzeichen Wolfhagen überdauerte wegen seiner vorzüglichen Qualität noch lange in den Kanzlei- und Schreibstuben des gesamten nordhessischen Raumes.

Hintergrund
In China erfand man das Papier aus zerstampften Pflanzenfasern (Ersterwähnung 105 n. Chr.). Lange geheim gehalten gelangte das Wissen um seine Herstellung im 8. Jahrhundert nach Arabien und im 12. Jahrhundert nach Europa. Hier verwendete man bis dahin Pergament (Tierhaut) zum Beschreiben. Die erste Papiermühle Deutschlands wurde 1389 vor den Toren Nürnbergs errichtet. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern steigerte den Papierbedarf enorm. Zur Papierherstellung benötigte der Müller größere Mengen an abgenutzten Leinentextilien und Lumpen. Diese brachten ihm Lumpensammler aus dem Umland. In der Mühle wurden die Stoffreste mechanisch zerfetzt, gewaschen und vergoren. Nach einigen Wochen wurde die faulende, stinkende Masse mit gelöschtem Kalk versetzt und im Stampfwerk zerfasert. Das Stampfwerk wurde über die Mühlräder angetrieben. Den Faserbrei versetzte der Müller mit Wasser und füllte ihn in einen Bottich (auch „Bütte“ genannt, daher der Name „Büttenpapier“) ab. Mit einem feinmaschigen Sieb aus Kupferdraht schöpfte der Papiermacher den Brei ab. Die Größe des rechteckigen Rahmens gab das Papierformat vor. Nach dem Abtropfen, Trocknen und Pressen wurde die Oberfläche geglättet. Schreibpapier wurde anschließend in Leim getaucht, um ein Verlaufen der Tinte zu verhindern. Wegen des Gestanks der faulenden Masse befanden sich Papiermühlen immer außerhalb der Städte.
 

Gelesen 4622 mal Letzte Änderung am Montag, 08 Juni 2020 08:34

Veranstaltungen

 

--Veranstaltungen 2024--

 

Sonntag, 10. März, 15 Uhr 

Erzählcafé

Zum Thema: Magie und Aberglaube im Wolfhager Land

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 25. April, 18 Uhr Ausstellungseröffnung

bis Sonntag, 21. Juli

Ausstellung

Sonderausstellung: Magie und Aberglaube im Mittelalter 

Einführung in die Ausstellung: Beate Bickel M. A.

Musikalische Begleitung: Korydwenn

 

 

Sonntag, 19. Mai, 14-17 Uhr

Familientag

Internationaler Museumstag

14 Uhr: Mittelalterlicher Bogenbau mit Michael Stiller, Ippinghausen 

16 Uhr: Barbara Rüffert erzählt Märchen

Selbstgebackener Kuchen, Kaffee und gekühlte Getränke und gute Laune

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr

Vortrag / Lesung / Gespräch - Himmel hilf!

Vortrag: Dr. Tillmann Bendikowski, Hamburg: Himmel hilf! Warum wir Halt in übernatürlichen Kräften suchen

(gemeinsam mit der Buchhandlung Mander)

Eintritt 5 Euro, SchülerInnen und Studierende frei

 

Anfang Juli

Ausstellung

Ausstellung von Schülerarbeiten, Wahlunterricht Kunst Klasse 10 der Walter-Lübcke-Schule mit Karin Balkenhol

 

Donnerstag, 12. September, 19 Uhr

Vortrag - Die große Welt im kleinen Format

Prof. Dr. Sabine Thümmler, Berlin: Die große Welt im kleinen Format. Möbelstile in Wolfhager Puppenstuben zwischen Historismus und Neuer Sachlichkeit.

Eintritt 3 Euro, Mitglieder des Museumsvereins, SchülerInnen und Studierende frei

 

Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr-16.30 Uhr

Musik

Mittelalterliche Musik mit Korydwenn, Ippinghausen

Einritt frei, Spenden erbeten!

 

 

 
Der Eintritt ist für alle Veranstaltungen frei für Mitglieder des Museumsvereins, Schüler/innen und Studierende.
 
Unser Dank für freundliche Unterstützung gilt der Kasseler Sparkasse, der VHS Region Kassel, dem Hess. Museumverband und der Kulturstiftung des Landkreises Kassel.