Donnerstag, 23 Dezember 2021 10:38

Exponat des Monats Dezember

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Spitzbetzel der WolfhagerLandfraue n Spitzbetzel der WolfhagerLandfraue n Beate Bickel

Textilien erzählen Geschichte(n)
Eine Spitzbetzel im Regionalmuseum Wolfhager Land

Von Dr. Axel Lindloff

Mitunter sind es kleinere und vor allem gar nicht so alte Dinge, die das Interesse der MuseumsmitarbeiterInnen wecken, und hinter denen ein recht spannender Hintergrund zur jüngeren Kulturgeschichte, genauer zur Frauenbekleidung, aufgeblättert werden kann – so auch eine Spitzbetzel (Haube). Sie gelangte zusammen mit einem kleinen Konvolut anderer Objekte aus Vereinsbesitz über die ehemalige Vorsitzende des Wolfhager Landfrauenvereins, Helene Rest, 2020 als Schenkung an das Museum, nachdem sich der Landfrauenverein aufgelöst hatte. Die Haube gehörte der Überbringern, und sie wurde zum Hessentag 1992 in Wolfhagen zusammen mit etwa 20 anderen von der inzwischen verstorbenen Ella Werner gefertigt.


Nachgeschaut: eine Spitzbetzel
Der Begriff „Spitzbetzel“ ist erst ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts nachweisbar. Dabei handelt es sich um eine dreiteilige leinerne Haube, die mit schwarzem Satin bezogen ist. Darüber ist ein langes und etwa 11 cm breites schwarzes Satinband angebracht, das in einem Stück um die Haube geschlagen und in eine Schleife gelegt ist. Die sichtbare Haubenrückseite (der sogenannte Boden) ist in buntem Plattstich mit meist floralen Motiven verziert. Die Kinnbänder sind als Schleife gesteckt und mit Haken-Öse zu schließen. Hierzu verwendeten Frauen gerne selbstgewebte Borten oder auch fertig Ware, die es auf den Märkten zu kaufen gab.
Spitzbetzeltracht
Es gibt wohl keine Tracht im heutigen Hessen, die nach einem Kleidungsdetail benannt wurde. In der Regel sind die Trachten mit einem regionalen Begriff versehen, wie zum Beispiel Schwälmer Tracht, Hüttenberger Tracht, Marburger evangelische bzw. katholische Tracht und andere. Für Nord- oder genauer Niederhessen (gemeint ist die ehemalige Provinz) sprechen die Forscher von Niederhessischer Spitzbetzelracht, wohl deshalb weil sich eben fast nur die Kopfbedeckung (die Spitzbetzel) erhalten hat. Es ist das Verdienst von Ingrid Rittger aus Edermünde, alles noch greifbare Wissen über die niederhessische Spitzbetzeltracht in einer umfangreichen Publikation zusammengetragen zu haben.
Wolfhager Tracht?
Weit im Vorfeld des Hessentags 1992 war man auch in Wolfhagen bemüht gewesen, Erkundigungen über eine typische Wolfhager Bekleidung einzuholen, war es doch etwa seit 1978 üblich, dass sich die Hessentagspaare in Tracht zeigten. Der damalige Leiter des Heimatmuseums Gerhard Wittenberg und der Leiter des Volksbildungswerkes Günter Kozica waren schon früher fündig geworden und hatten in der Mittelstraße auf dem Dachboden eine alte Tracht entdeckt, die sogar im Heimatmuseum „Alte Wache“ ausgestellt war. Der Wolfhager Heimatforscher Wilhelm Winter skizzierte daraus und aus einem alten Foto eine „Wolfhager Spitzbetzelhaube“. Das Ansinnen der drei wurde jedoch später durch Dirk Lindemann korrigiert, der besagtes Foto seiner Großmutter mit Spitzbetzel nach Fritzlar-Haddamar, also in den Verbreitungsraum der niederhessischen Spitzbetzeltracht, verorten konnte. Folgerichtig trug, der weibliche Part des Hessentagspaars 1992, keine Spitzbetzel sondern eine mit einem schwarzen Satinband umnähte weiße Pikeehaube, die wie auch Bluse und Rock nach einem erhaltenen rund 180 Jahre alten ländlichen Festtagskleid aus Altenhasungen geschneidert wurde.
Tracht oder nicht?
Die drei alten Spitzbetzelhauben im Bestand des Regionalmuseums, die in der Abteilung „Alltagskultur und Bilderwelt“ ausgestellt sind und die vermutlich nicht ursprünglich aus dem Wolfhager Land stammen sowie die modernen Spitzbetzelhauben der Landfrauen haben etwas gemeinsam. Sie sind Ausdruck sozialer Aktivitäten von Frauengruppen und jeweils textile Zeichen von Gemeinsamkeit. Teile von Trachten als komplexes System dörflicher Zusammenhänge im Sinne der modernen Bekleidungsforschung sind höchstens die Spitzbetzelhauben, wobei unser Wissen über dieses historische Phänomen noch nicht ausreichend ist. So bleibt die Frage, ob es im Wolfhager Land typische Trachten gegeben hat, weiterhin unbeantwortet.

Gelesen 2367 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 23 Dezember 2021 10:47

Veranstaltungen

 

--Veranstaltungen 2024--

Donnerstag, 25. April, 18 Uhr Ausstellungseröffnung

bis Sonntag, 21. Juli

Ausstellung

Magie und Aberglaube im Mittelalter mit regionalem Schwerpunkt

Musikalische Begleitung: Korydwenn

 

Samstag, 27. April, 19 Uhr

Autorenlesung

Detlef Günter Thiel präsentiert sein Buch "Hans Staden - Seine Seele - Meine Seele".

Eintritt frei!

 

Sonntag, 19. Mai, 14-17 Uhr

Familientag

Internationaler Museumstag

14 Uhr: Mittelalterlicher Bogenbau mit Michael Stiller, Ippinghausen 

16 Uhr: Barbara Rüffert erzählt Märchen

Selbstgebackener Kuchen, Kaffee und gekühlte Getränke und gute Laune

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr

Vortrag / Lesung / Gespräch - Himmel hilf!

Vortrag: Dr. Tillmann Bendikowski, Hamburg: Himmel hilf! Warum wir Halt in übernatürlichen Kräften suchen

(gemeinsam mit der Buchhandlung Mander)

Eintritt 5 Euro, SchülerInnen und Studierende frei

 

Anfang Juli

Ausstellung

Ausstellung von Schülerarbeiten, Wahlunterricht Kunst Klasse 10 der Walter-Lübcke-Schule mit Karin Balkenhol

 

Donnerstag, 12. September, 19 Uhr

Vortrag - Die große Welt im kleinen Format

Prof. Dr. Sabine Thümmler, Berlin: Die große Welt im kleinen Format. Möbelstile in Wolfhager Puppenstuben zwischen Historismus und Neuer Sachlichkeit.

Eintritt 3 Euro, Mitglieder des Museumsvereins, SchülerInnen und Studierende frei

 

Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr-16.30 Uhr

Musik

Mittelalterliche Musik mit Korydwenn, Ippinghausen

Einritt frei, Spenden erbeten!

 

Sonntag, 10. März, 15 Uhr 

Erzählcafé

Zum Thema: Magie und Aberglaube im Wolfhager Land

Eintritt frei!

 

 

 

 
Der Eintritt ist für alle Veranstaltungen frei für Mitglieder des Museumsvereins, Schüler/innen und Studierende.
 
Unser Dank für freundliche Unterstützung gilt der Kasseler Sparkasse, der VHS Region Kassel, dem Hess. Museumverband und der Kulturstiftung des Landkreises Kassel.