Erst „Turnvater Jahn“ machte dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Turnen populär. Innerhalb kurzer Zeit konnten 12 000 Mitglieder in 150 örtlichen Vereinen gezählt werden. Beim Turnen ging es in dieser Zeit allerdings keineswegs nur um Fitness. Turnen war hochgradig politisch. Es sollte in der Vorstellung Jahns das nationale Empfinden stärken und die Jungen vormilitärisch schulen. Das Turnen war in dieser Vorstellungswelt dem männlichen Teil der Bevölkerung vorbehalten. Die politischen Aspekte jedenfalls führten schließlich in den meisten deutschen Kleinstaaten, so auch im Kurfürstentum Hessen, zum allgemeinen Turnverbot. Die sogenannte Turnsperre galt hier über einen Zeitraum von 22 Jahren, von 1820 bis 1842.
Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Leibeserziehung nach und nach in den deutschen Kleinstaaten Unterrichtsfach. Daneben erwachte das Turnen in Vereinen zu einer neuen Blüte. Es wurde an Geräten geturnt, in Wolfhagen unter anderem an einem Holzreck und an Klettertauen, Gymnastik getrieben und vieles mehr. Man veranstaltete Turnfeste und schloss sich überregional in Gauen und Turnkreisen zusammen.
Ein Erinnerungsstück an öffentliche Auftritte der Wolfhager Turnerschaft ist der in unserem Museum aufbewahrte Turner-Gürtel aus der Zeit um 1900. Getragen wurden solche Stücke beim Einmarsch in die Stadien, etwa bei Turnerfesten, aber auch bei Festumzügen. Unser Exemplar ist mit Wolle in Perlstichtechnik und zusätzlich mit Glasperlen bestickt. Motiv ist eine Weinblattranke. Vorn in der Mitte ist der Turnergruß „Gut Heil“ verewigt. Die Rückseite ist aus Leder. Mittels zweier Lederriemen und Schnallen, wird der Gürtel auf dem Rücken zusammengehalten.
Beate Bickel
Kontakt: www.regionalmuseum-wolfhager-land.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung.