Auch wir bereiten, gemeinsam mit dem Wolfhager Heimat- und Geschichtsverein ind der VHS Kassel eine Sonderausstellung vor. Aus der Reihe der bereits von Bürgern des Wolfhager Landes für die Ausstellung zu Verfügung gestellten Sammelstücke sei deshalb hier als Objekt des Monats August 2014 ein besonderer Erinnerungsgegenstand vorgestellt.
Es handelt sich dabei um eine dekorative Porzellanschale mit einem Durchmesser von 25,5 cm. Im Zentrum ist ein Porträt Kaiser Wilhelm II. abgebildet, geschmückt mit Eichenlaubkranz und Eisernem Kreuz. Der Schalenrand ist breit durchbrochen und verziert mit 8 ( die Zahl 8 hier Symbol für Neubeginn, Harmonie) kleinen Fahnen mit den Farben Schwarz, Weiß und Rot – den Farben des Kaiserreiches. Der äußere Schalenrand schließt mit einem Goldrand ab. Das geschmückte Kaiserporträt ist eingerahmt mit dem einprägsamen und ziemlich bekannten Zitat des Kaisers, das auch heutzutage gelegentlich in anderen Zusammenhängen ironisch verwendet wird. Auf der Schale ist keine Manufaktur vermerkt.
Die Schale ist ein typisches Beispiel aus der Propagandaarbeit des Kaiserreiches. In allen Ländern spielte seit Beginn des Krieges eine vielfältige in zunehmendem Maße auch staatlich gelenkte Propaganda eine große Rolle. Sie diente einerseits dazu, die eigene Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren, anderseits den Feind zu diffamieren.
In den deutschen Einzelstaaten spielten nationale und militärische Symbole schon seit den Befreiungskriegen 1813/14 und in den deutschen Einigungskriegen 1864/66 und 1870/71 eine wichtige Rolle. Dieser Trend verstärkte sich mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges erheblich. Neben den neuen Medien von Film und Fotographie, Postkarten, Werbeanzeigen, Rekrutierungsaufrufen, Broschüren und Zeitungsartikeln wurden vor allem Münzen, Schmuck, Kriegsspielzeug, Keramikfiguren und Alltags- und Ziergeschirr mit patriotischen Werbesprüchen und Dekoren massenhaft produziert und verbreitet.
Anlässlich der Kriegserklärung des Deutschen Reiches infolge der Juli-Krise 1914 am 1. August an Russland, das dem deutschen Ultimatum zur Rücknahme der Generalmobilmachung nicht nachgekommen war, hielt Kaiser Wilhelm II. ein Ansprache am Abend des gleichen Tages vom Balkon des Berliner Schlosses. Sie war die erste seiner berühmten Reden, die alle Deutschen für den Krieg zusammenführen sollte. Vor rund 50000 Menschen proklamierte der Kaiser den Verteidigungskrieg und beschwor die nationale Einheit.
Die Formulierung: „Ich kenne keine Parteien und keine Konfessionen mehr, wir sind heute nur noch deutsche Brüder“ bezog sich auf innere Spannungen im Kaiserreich und vor allem auf den innenpolitischen Gegner- die Sozialdemokraten, die in Opposition zum monarchischem Obrigkeitssaat standen und allgemein jegliches Wettrüsten und insbesondere die kriegerische Politik der Reichsleitung kritisierten.
Wenige Tage später griff der Kaiser in seiner Thronrede vom 4.8.1914 seine Formulierung vom 1. 8.1914 in abgewandelter und nun zugespitzter Form nochmals auf und brachte bereits den bald darauf geschlossen „Burgfrieden“ (Stillhalteabkommen zwischen gesellschaftlichen und politischen Gruppierungen während des Krieges) pathetisch zum Ausdruck. Der Kaiser warb nunmehr mit seinen Äußerungen vor allem um die Zustimmung der Parteien zur Bewilligung von Krediten für die Kriegführung. Noch am gleichen Tag bewilligten alle Parteien im Reichstag, auch die SPD, die zuvor in großen Teilen dagegen war, die von der kaiserlichen Regierung geforderten Kriegskredite. In den folgenden Jahren schmückte der griffige politische Werbe-Slogan „ Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche“ neben der Gebrauchs- und Zierkeramik auch vielfach Plakate und Postkarten.
Die landesweite patriotische Begeisterung, der nationale Taumel und die Zustimmung zum Kaiserreich dürfte nie größer gewesen sein als in jenen Augusttagen 1914. Doch schon im 2. Kriegsjahr begann die nationale Aufbruchseuphorie zu schwinden. Je länger der Krieg dauerte umso mehr schwand auch das Bekenntnis zur Burgfriedenspolitik trotz intensiver Propaganda.
Die auf der Schale angegebenen Jahre 1914-1915 verweisen auf ihr Entstehungsjahr 1915.
Um diese Zeit wurde von Schriftstellern und Philosophen das „Augusterlebnis“ des Jahres 1914 zur Geburtsstunde der spezifisch deutschen Form nationaler Volksgemeinschaft hochstilisiert. In den folgenden Jahren(1916-1918) erfolgte in zivilen und militärischen Bereichen ihre Umsetzung in die Praxis. Während der Zeit des Nationalsozialismus (1933-45) erfuhr die Volksgemeinschaftsideologie eine weitaus radikalere Steigerung und Umsetzung in eine furchtbare Realität.
Neuere Forschungen haben darauf hingewiesen, dass die heute jedem noch bekannten Bilder vom Hurra -Patriotismus, von den fröhlich lachenden Soldaten und Zivilisten der Augusttage 1914 sich nur auf eine Minderheit der Bevölkerung bezogen. Es waren hauptsächlich Angehörige der bürgerlichen Mittelschicht, die in der Hauptstadt Berlin und anderen größeren Städten den Krieg begrüßten. In kleineren Städten und Dörfern, in denen die meisten Deutschen damals lebten, sei die Stimmung verhaltener gewesen. Dunkle Vorahnungen, Befürchtungen und konkrete Sorgen über die Bewältigung des Alltaglebens bestimmten hauptsächlich die Empfindungen und das Denken der Menschen.
Und wie wurde der „August 1914“ im Wolfhager Land erlebt? Wenn Sie, lieber Leser, aus dem Verwandten- oder Bekanntenkreis noch Informationen, Berichte oder Bekundungen zum Kriegsbeginn 1914 kennen, teilen Sie diese bitte der HNA oder dem Museum mit.
WOLFHAGEN im Juni/ Juli 2014
Bernd Klinkhardt