Sie stammen aus der Zeit, bevor Hans Staden seine erste Reise nach Brasilien antrat. Unter ihnen befindet sich die hier gezeigte Karte aus einem 1544 erschienenen Werk, das den neu entdeckten Erdteil Amerika zeigt. Der kolorierte Holzschnitt ist zu finden in der COSMOGRAPHIA des Sebastian Münster (1488-1552). Der hochgebildete Humanist hatte seit 1524 gut 120 Reiseberichte aus allen Teilen der Welt gesammelt und sie zu einer umfangreichen Weltgeschichte verarbeitet. Bereits 1550 erschien sie in fünfter Auflage mit über 1200 Seiten, 74 Stadtansichten und 62 Karten.
Auch wenn die hier zu sehende Karte recht ungenau und primitiv ist, sagt sie doch viel aus über das Wissen der Zeit um 1550. Zuerst fällt auf, dass Südamerika als Die Nüw Welt bezeichnet wird. Der Begriff „Neue Welt“ wurde von Amerigo Vespucci anlässlich seiner dritten Reise (1501-02) nach Amerika gebraucht. Seit 1504 wurde er immer öfter auf Karten oder Veröffentlichungen verwendet. Zwischen dieser Bezeichnung ist zu lesen: „Insula Atla(n)tica quam vocant Brasilij & Americam“ (Atlantische Insel, auch genannt Brasilien und Amerika). Seit 1504 nannten die Portugiesen die von ihnen 1500 entdeckte Kolonie „Terra de Santa Cruz“ und verwendeten den Begriff noch Jahrzehnte. Seit 1512 wird in Quellen und auf Karten aber auch die Bezeichnung „terra do brasyll“ verwendet. Der deutsch Kartograph Martin Waldseemüller hatte 1507 eine Karte veröffentlicht, auf der er in Südamerika den Vornamen von Vespucci als „America“ eintrug, den er für den eigentlichen Entdecker Amerikas hielt. Das führte später dazu, dass der Begriff auf den ganzen Kontinent angewendet wurde. Münster war auch die erste Weltumseglung des Ferdinand Magellan bekannt. Deshalb trägt er an der Südspitze des Kontinents ein: fretum magaliani (Meerenge des Magellan). All das wusste Münster, als er seine Karte entwerfen ließ und berücksichtigte es weitgehend.
Auch Hans Staden kannte die Probleme der Namensgebung für den neuen Kontinent. Im Titel seiner Wahrhaftigen Historia verortet er seinen Bericht „in der Newenwelt America gelegen“. Erst in der Widmung an den Landesherren erklärt er, dass er unter den wilden leuten des landes Prasilien gewesen sei, die mich gefangen hetten … und menschen fleysch essen.“ Hatte Hans Staden diese Karte vor seine Abreise 1548 gesehen? Was hätte er sonst noch erkannt? An den eng stehenden Bäumen (angedeuteter Urwald) hängen ein Kopf und ein Bein. Darüber steht Canibali, die damals (und bis heute) übliche Bezeichnung für Menschenfresser, wie sie im Titel von Stadens Werk genannt werden. Man kann sich ziemlich sicher sein, dass Staden recht früh etwas über den Kannibalismus der Indigenen erfahren hatte. Nicht geahnt hatte er sicher, dass er selber fast zum Opfer geworden wäre. Doch er überlebte und berichtete mehrfach über den rituellen Kannibalismus der Tupinambá. Auch wenn er die Indios heftig kritisiert, er nennt sie in seinem Werk niemals Menschenfresser.
Karte aus der Cosmographia von Sebastian Münster von 1546. (Kolorierter Holzschnitt)