Zu sehen ist bis heute eine Auswahl von Bildern als Wandschmuck aus Bürgerhäusern aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Im Zusammenhang mit einer Sonderausstellung wurde gezeigt, welche Bildmotive damals besonders geschätzt wurden. Neben religiösen Themen waren es oft Familienszenen, patriotische Ereignisse oder Landschaften. Es waren keine gemalten Originale, sondern mit maschinellen Drucktechniken massenhaft verbreitete Werke. So konnten jetzt viele Kunstwerke verhältnismäßig preiswert von Bürgern in der Kleinstadt Wolfhagen erworben werden. Die hier ausgewählte Reproduktionsgraphik „Die drei Lebensalter“ wurde als Lichtdruck 1887 in München im Kunstverlag Franz Hanfstaengl hergestellt. Der namentlich nicht bekannte Käufer hatte sie wohl später in Kassel in der Kunsthandlung Georg Lotz erworben. Dort erhielt sie einen massigen, verzierten Rahmen, der das Werk zu einem Blickfang werden ließ.
Das Bild will als Allegorie drei Abschnitte im Leben einer Frau verdeutlichen. Im Zentrum auf einem Podest steht die Jugend, eine junge, schöne Frau als Halbakt mit gesenktem Blick, rechts sitzt eine reife Frau mit blühenden Blumen auf dem Schoß, links kauert zusammengesunken in dunkler Kleidung eine alte Frau, die den Betrachter sorgenvoll ansieht. Im Vordergrund liegen verwelkte Blumen. Auch wenn des Bild mit dem hellen Hintergrund positiv wirkt, bleibt die Mahnung an die Vergänglichkeit des Lebens präsent. Es ist ein Bild, das jeden Betrachter an seinen Lebensweg erinnern kann. Denn es gibt auch Bilder aus dieser und aus früheren Zeiten, in denen Männer als Personifikationen des Lebenswegs gewählt wurden.
Der Künstler, dessen Gemälde die Vorlage für diesen Lichtdruck schuf, war Paul Thumann (1834-1908). Er wurde 1875 Professor an der Kunstakademie in Berlin und war mit Illustrationen von literarischen Werken (Goethe, Chamisso, Heine) besonders erfolgreich. Sein um 1884 entstandenes Gemälde trug allerdings den Titel „Die Parzen“. Die drei Parzen in der römischen Mythologie sind Schicksalsgöttinnen. Bei den Griechen hießen sie Moiren, deren Aufgabe es ist, bei der Geburt des Menschen einen Lebensfaden für sie einzuweben. Die drei Schwestern sind bei den Römern Nona, die den Lebensfaden spinnt, Decima, die das individuelle Lebensgeschick beeinflusst und Morta, die den Lebensfaden durchtrennt und den Tod herbeiführt.
Bei genauerer Betrachtung des Bildes erkennt man, dass die junge Frau eine Spindel in der linken Armbeuge trägt. Sie zieht einen Faden nach links, der dann über dem Kopf der alten Frau herabhängt, die eine Gartenschere in der Hand hält. Mit ihrer linken Hand will sie gerade den Faden ergreifen, um ihn wohl bald durchzuschneiden. Aus den beiden Frauen werden so plötzlich zwei Parzen. Paul Thumann hat in seinem Werk das Wirken der Parzen mit den Allegorien der Lebensalter verbunden und so ein mehrfach deutbares Kunstwerk geschaffen. Bis heute ist es immer noch begehrt und wird im Internet als aufwendig gerahmtes Bild oder als Porzellanbild angeboten.