Mittwoch, 31 August 2022 09:35

Exponat des Monats August 2022 - Zunftlade der Bauarbeiter

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Hermann Neumeyer präsentiert eine Zunftlade der Bauarbeiter aus dem Jahr 1800 Hermann Neumeyer präsentiert eine Zunftlade der Bauarbeiter aus dem Jahr 1800 Antje Thon

von Hermann Neumeyer

In der Abteilung „Handwerk und Zünfte“ des Regionalmuseums Wolfhagen sind einige Zunftladen ausgestellt, darunter auch die der Bauarbeiter von 1800.

Zur Zunft der Bauhandwerker gehörten in Wolfhagen die Berufsgruppen der Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Steinmetze und Gerüstbauer, die in größeren Städten je nach Personenzahl jeweils auch eigene Zünfte bildeten.  

Als Zünfte bezeichnet man ständische Körperschaften von Handwerkern, die bereits seit der Stadtgründungsphase des 13 Jahrhunderts zur Wahrung gemeinsamer Interessen bestanden und noch bis 1869 - mit einer kurzen Unterbrechung während der napoleonischen Zeit - existierten, bevor sie mit der Einführung der Gewerbefreiheit im 1871 entstandenen deutschen Kaiserreich aufgelöst wurden. Die Zünfte bildeten ein soziales und ökonomisches System zur Regelung von Rohstofflieferungen, Beschäftigungszahlen, Löhnen und Absatzmengen bis hin zur Witwenversorgung und zu Beihilfen bei Krankheiten und Sterbefällen aus der Zunftkasse. Im öffentlichen Leben der Stadt spielten die Zünfte bei Festen, aber auch bei Prozessionen, Gottesdiensten, Wach- und Stadtmauerdiensten, beim Feuerlöschen und bei den Bürgerwehren eine wichtige Rolle. 

Äußere Zeichen der Zünfte waren nach mittelalterlicher Tradition Zunftordnung, Wappen, Zunftzeichen und Zunftkleidung. Die Zünfte schrieben ihren Mitgliedern zur Sicherung der Produktionsqualität die Produktionsmethoden vor. Dadurch wehrten sie zwar Überproduktionen ab, andererseits verhinderten sie dadurch aber auch die Einführung neuer, produktiverer, eventuell weniger gesundheitsgefährdender Produktionstechniken. Sie ermöglichten ihren Mitgliedern jedenfalls ein standesgemäßes und damit „gerechtes“ Einkommen. Den Verbrauchern war durch das Ausschalten des Preiswettbewerbs ein stabiles Preis-Leistungs-Verhältnis, allerdings auf einem hohen Preisniveau, garantiert. 

Indem die Zünfte an der Stadtverfassung mitwirkten, konnten sie auch wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Ziele durchsetzen. Da in Wolfhagen eine breite Kaufmannschaft fehlte, auf die der Landgraf als Stadtherr neben den niederadeligen Grundbesitzern und Burgmannen die Verwaltungsaufgaben der Stadt hätte übertragen können, nahmen die Zünfte von Anfang an auch eine politische Funktion wahr, wodurch sie automatisch in die öffentliche Gesetzgebung eingeschaltet wurden. 

Betrachtet man die Mitgliederzahl in der Zunft der Bauhandwerker und hier insbesondere die der Maurer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so fällt der starke Anstieg von 9 Maurern auf 37 Maurer innerhalb von nur 17 Jahren auf. Hierin spiegelt sich unter dem Einfluss des Klassizismus und seinem gesteigerten Repräsentationsbedürfnis die vermehrte Anwendung der Steinbauweise wieder, mit der jetzt die zahlreichen durch Brände entstandenen Baulücken geschlossen wurden.  

Dass häufig in der Ackerbürgerstadt Wolfhagen ein Überleben im Handwerk nur mit Hilfe des landwirtschaftlichen Zuerwerbs möglich war, zeigen zahlreiche Überlieferungen der Zünfte. Fehlte der Hintergrund eines ausreichenden landwirtschaftlichen Erwerbs, war man oft größter Not ausgeliefert. So konnten oft zünftige Handwerksmeister nicht einmal ihren Sohn bei ihrer eigenen Zunft anmelden, weil ihnen das Geld für die Eintrittsgebühr fehlte. 

Die Zunftlade war der Aufbewahrungsort u. a. für das Zunftvermögen, die Privilegien-Urkunden und für die kultischen Gerätschaften. Dadurch hatte die Zunftlade für gewisse zünftige Handlungen eine symbolische Bedeutung. Nur bei geöffneter Lade konnten Eide gesprochen und Strafen im Sinne der Zunftgerichtsbarkeit verkündet werden. In der Zunftlade, die in der Regel der Zunftmeister verwahrte, wurden neben dem Zunftbrief, den Zunftordnungen und weiteren Urkunden vor allem Rechnungen und Darlehens-Obligationen aufbewahrt. Bei den ordentlichen Zunftversammlungen flossen die regelmäßig fälligen Beiträge der Meister in die Zunftkasse. Dazu kamen einmalige Einnahmen wie die Aufnahmegelder neuer Meister, Aufdingungsgebühren von Lehrlingen, Lossprechungsgebühren von Gesellen und Strafgelder. Einige der zahlreichen Altäre in der Stadtkirche St. Anna, die zur Zeit des Bildersturmes um 1600 alle beseitigt wurden, dürften mit finanzieller Beteiligung von Zünften und wohlhabenden Bürgern errichtet worden sein.       

 

Weitere Informationen:  Regionalmuseum Wolfhager Land, 05692/992431, www.regionalmuseum-wolfhager-land.de

Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung.

 

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Veranstaltungen

 

--Veranstaltungen 2024--

 

Sonntag, 10. März, 15 Uhr 

Erzählcafé

Zum Thema: Magie und Aberglaube im Wolfhager Land

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 25. April, 18 Uhr Ausstellungseröffnung

bis Sonntag, 21. Juli

Ausstellung

Sonderausstellung: Magie und Aberglaube im Mittelalter 

Einführung in die Ausstellung: Beate Bickel M. A.

Musikalische Begleitung: Korydwenn

 

 

Sonntag, 19. Mai, 14-17 Uhr

Familientag

Internationaler Museumstag

14 Uhr: Mittelalterlicher Bogenbau mit Michael Stiller, Ippinghausen 

16 Uhr: Barbara Rüffert erzählt Märchen

Selbstgebackener Kuchen, Kaffee und gekühlte Getränke und gute Laune

Eintritt frei!

 

Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr

Vortrag / Lesung / Gespräch - Himmel hilf!

Vortrag: Dr. Tillmann Bendikowski, Hamburg: Himmel hilf! Warum wir Halt in übernatürlichen Kräften suchen

(gemeinsam mit der Buchhandlung Mander)

Eintritt 5 Euro, SchülerInnen und Studierende frei

 

Anfang Juli

Ausstellung

Ausstellung von Schülerarbeiten, Wahlunterricht Kunst Klasse 10 der Walter-Lübcke-Schule mit Karin Balkenhol

 

Donnerstag, 12. September, 19 Uhr

Vortrag - Die große Welt im kleinen Format

Prof. Dr. Sabine Thümmler, Berlin: Die große Welt im kleinen Format. Möbelstile in Wolfhager Puppenstuben zwischen Historismus und Neuer Sachlichkeit.

Eintritt 3 Euro, Mitglieder des Museumsvereins, SchülerInnen und Studierende frei

 

Sonntag, 6. Oktober, 15 Uhr-16.30 Uhr

Musik

Mittelalterliche Musik mit Korydwenn, Ippinghausen

Einritt frei, Spenden erbeten!

 

 

 
Der Eintritt ist für alle Veranstaltungen frei für Mitglieder des Museumsvereins, Schüler/innen und Studierende.
 
Unser Dank für freundliche Unterstützung gilt der Kasseler Sparkasse, der VHS Region Kassel, dem Hess. Museumverband und der Kulturstiftung des Landkreises Kassel.