Meist in Gruppen kehrten die Reservisten per Bahn oder Bus in ihre Heimatorte zurück und brachten dabei öffentlichkeitswirksam zum Ausdruck, dass sie endlich wieder in das zivile Berufs-und Privatleben zurückkehren konnten. Die Requisiten sind 2012 von einem Kasseler Bürger dem Regionalmuseum übereignet worden. Sie gehörten einst dem Kasseler Gefreiten H. H., der 1963/65 seinen Wehrdienst in der Panzerjägerkompanie 50 in Wolfhagen ableistet hatten.
Ein kleiner Reservistenkoffer (40x 28 cm) ist beklebt mit Karikaturen, Aufschriften und Zeitungswitzen, die an eindrucksvollen Beispielen das raue Kasernenleben und den zum Teil wiederauflebenden Kommissgeist sowie engstirnigen Drill der Wehrmachtstradition in der Bundeswehr verspotten. Stolz brüstet man sich, sogar Disziplinarstrafen wegen Überschreitung der Ausgangszeit auf sich genommen zu haben. Der verzierte Spazierstock (90 cm)mit Klingelknopf und Knauf ermöglicht es dem Reservisten gestenreich und lautstark, ihm begegnenden Personen auf sich aufmerksam zu machen. Auch der Strohhut, liebevoll beklebt mit ironischen Sprüchen, Originalabzeichen der Bundeswehr, mit einer aufgesetzten kleinen Figur sowie mit Unterschriften der einstigen Kameraden signalisiert, dass man froh ist, den Wehrdienst endlich hinter sich gelassen zu haben.
Die Unbeliebtheit der Wehrpflicht und die Frustration über den häufig als „Gammeldienst“ empfundenen Militärdienst zeigte sich auch noch lange nach den Anfangsjahren der Wehrpflicht in solchen ritualisierten Bräuchen nach Beendigung des Wehrdienstes.
Mancher ältere Leser, der selbst einst Wehrpflichtiger war, wird sich vielleicht erinnern, dass sich trotz moderner zeitgemäßer Menschenführung im Sinne des „Bürgers in Uniform“, die Tradition der Wehrmacht gelegentlich verhängnisvoll auswirkte. Der berüchtigte „Maskenball“ (rascher Wechsel der Uniformen) und die Schikanen beim „Stubenappell“ vor dem freien Wochenende, bei dem z. B. bloß ein Staubkorn auf der Heizung oder ein angeblich unsauberer Zahnbecherboden den Freizeitbeginn am Wochenende um Stunden verzögerte, in schwereren Fällen sogar eine absolute Ausgangssperre mit sich bringen konnte. Nicht zu vergessen ist auch die gelegentliche Verhöhnung von Offizieren und Unterführern, die ihre mangelnde Qualifikation mit brüllenden „Schleifermethoden“ im Stil der einstigen Wehrmacht überspielten.
Im Regionalmuseum werden nur wenige militärische Objekte der neuzeitlichen Geschichte gezeigt. Sie beziehen sich auf den deutsch-französischen Krieg 1870/71 und das Deutsche Kaiserreich 1871-1918. In dieser Minimierung des Militärischen im Museum spiegelt sich auch die seit Gründung der Bundesrepublik geschichtlich bedingte fest verankerte gesamtgesellschaftliche „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ wider.
Weitere Informationen: Regionalmuseum Wolfhager Land, 05692/992431, www.regionalmuseum-wolfhager-land.de
Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung.