Er begann als Krieg zwischen dem 2. französischen Kaiserreich und dem preußischen Königreich und mündete in die Gründung des ersten deutschen Nationalstaates. Der Sieg über Frankreich hat das Geschichtsbild in Deutschland entscheidend geprägt. Er förderte das Obrigkeitsdenken, führte zur Militarisierung der Gesellschaft und Kriegsverherrlichung.
Durch die mythenumrankten Schlachten der ersten Phase des Krieges im August /September 1870 wurde der Mythos vom unbesiegbaren deutschen Soldaten geboren, mit verhängnisvollen Konsequenzen in den beiden folgenden Weltkriegen. Plätze oder Straßen wurden nach Bismarck, Kaiser Wilhelm I. und Heerführern (so auch in Wolfhagen: Bismarck– Wilhelm- und Moltkestraße) sowie nach Schlachten benannt und Denkmäler für Kriegshelden errichtet.
Wie überall in Deutschland hielten nach dem Krieg 1870/71 auch in den Häusern in Städten und Dörfern des Wolfhager Landes dank moderner Vervielfältigungstechnik kriegsverherrlichende Erinnerungsbilder an die Schlachten des Krieges Einzug.
Dem Regionalmuseum Wolfhager Land sind etliche Bilder zu bedeutenden Schlachten im August 1870 übereignet worden. Eine hochwertige Farblithografie unter Glas mit edlem breitem Holzrahmen (52x 39,5 cm) des damals bekannten Druckverlages Eduard Gustav May in Frankfurt/M sei hier beispielhaft präsentiert. Das Bild zeigt einen Ausschnitt der bedeutenden Schlacht bei der Ortschaft Mars-la-Tour im Nordosten Frankreichs am 16. August 1870 in Form eines heroischen Idealbildes.
Die von links nach rechts in geordneter Formation anstürmende preußische Infanterie haut die französischen Soldaten, die von fremdländischen Soldaten ihrer Kolonien unterstützt werden, problemlos nieder. Im Gegensatz zu den disziplinierten Preußen befindet sich die französische Truppe in Auflösung und wendet sich bereits zur Flucht. Am linken Bildrand, schwach zu erkennen, die wirkungsvolle preußische Artillerie. Das Bild erweckt den Eindruck, die Verluste auf beiden Seiten wären äußerst minimal.
Neben dem gewonnen Krieg waren es vor allem auch Bilder dieser Art mit ihrer nationalen Selbstüberschätzung und Kriegsverherrlichung, die die deutschen Soldaten später fröhlich und begeistert in den Ersten Weltkrieg ziehen ließen.
Die Realität sah anders aus: In der 12-stündigen Schlacht behielten die zahlenmäßig unterlegenen deutschen Truppen (ca. 80.000) gegenüber ca.127.000 Franzosen die Oberhand. Die Gesamtverluste auf deutscher Seite beliefen sich auf ca. 15000 Mann und lagen damit leicht höher als die der Franzosen. Die deutschen Truppenführer ließen ihre Einheiten immer wieder gegen Stellungen der Franzosen anstürmen, die mit ihren maschinengewehrähnlichen Waffen und qualitativ besseren und effizienten Infanteriegewehren dem Gegner schwere Verluste zufügten. Ein für die Deutschen glücklicher unentschiedener Ausgang der Schlacht war nicht nur ihrer Kampfkraft und der preußischen Kavallerie, sondern auch dem Zufall, französischen Organisationsmängeln und Führungsfehlern zu verdanken.
Das ganze Elend des in Europa ersten industriell geprägten Krieges mit modernen und schweren Waffen (Salvengewehre/ Gussstahl-Kanonen) mit gewaltigem Zerstörungspotential kommt in diesem Kriegsbild und den zahlreichen anderen idealistischen Bildern von verschiedenen Schlachtorten nicht zum Ausdruck. Der in diesem Krieg durch die Obrigkeit und Massenmedien gegenseitig geschürte Hass sowie erstmals Züge einer mörderischen Brutalität kamen später im Ersten Weltkrieg voll zur Geltung
Eine Auseinandersetzung mit den Verlusten und Traumata vieler Kriegsteilnehmer, der Invaliden und Hinterbliebenen, die nur eine geringe Unterstützung erhielten, ließ später die offizielle Erinnerungskultur nicht zu. Umso größer und wirkungsvoller war die in Text und Bild publizierte und von Kriegervereinen getragene Erinnerungsarbeit.
Im Rahmen der Wehrpflicht mussten auch die Männer im Wolfhager Land als Bürger der nach dem Einigungskrieg 1866 geschaffenen preußischen Provinz Hessen-Nassau in den Krieg ziehen. Ab August 1870 kamen aus Wolfhagen 110 Männer zum Einsatz - 88 von ihnen bei der kämpfenden Truppe. An der Schlacht bei Mars-la-Tour nahmen aus Wolfhagen u. a. Georg Sake und Heinrich Geisersbach als Infanteristen teil und wurden dabei getötet.
Zur Erinnerung an die Kriegsteilnehmer ließen die Stadt Wolfhagen und die umliegenden Gemeinden nach dem Krieg Ehrentafeln anfertigen, die in der Kirche ihren Platz fanden. Eine anlässlich der Erinnerung an den hundertsten Geburtstag von Kaiser Wilhelms I. 1897 von der Gemeinde Altenhasungen in Auftrag gegebenen Ehrentafel ist noch heute im Museum Wolfhager Land zu sehen. Bis 1943 erinnerte ein im Auftrag der Stadt 1912 auf dem Marktplatz errichtetes gewaltiges Denkmal an die Wolfhager Teilnehmer der „glorreichen Feldzüge 1870-1871“.
Für das kommende Jahr 2021 ist vom Museum anlässlich des Kriegsendes 1871 ein Vortrag von dem Bochumer Historiker Dr. Dirk Ziesing geplant:“Wolfhagen und der Deutsch - Französische Krieg 1870/71“.